Zum Hauptinhalt springen

Der Prokurist: Rechte, Pflichten, Haftung und entscheidende Risiken

Die Position des Prokuristen ist eine der verantwortungsvollsten im deutschen Mittelstand. Mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, sind Sie als Prokurist eine zentrale Stütze der Geschäftsführung und vertreten das Unternehmen nach außen. Doch mit dieser unternehmerischen Macht gehen erhebliche Pflichten und persönliche Haftungsrisiken einher.

Was müssen Sie als Prokurist beachten, um Ihre Aufgaben rechtssicher zu erfüllen und persönliche Risiken zu minimieren? Dieser Überblick beleuchtet die Kernbereiche: von Ihren Rechten und Pflichten über strategische Aufgaben in der Unternehmenssteuerung bis hin zu den größten Haftungsfallen.

Prokurist

Befugnisse im Vergleich: Prokura vs. Handlungsvollmacht

Diese Tabelle verdeutlicht die besondere Stellung der Prokura und hilft, häufige Verwechslungen mit der Handlungsvollmacht zu vermeiden.

Kriterium Prokurist (Prokura) Handlungsbevollmächtigter
Erteilung Nur durch Inhaber/Geschäftsführung, ausdrücklich Formlos möglich, auch durch Prokuristen
Umfang Alle gerichtlichen & außergerichtlichen Geschäfte eines Handelsgewerbes Auf bestimmte Arten von Geschäften beschränkt
Eintragung Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister Keine Eintragung erforderlich
Beschränkbarkeit Im Außenverhältnis (gegenüber Dritten) unbeschränkbar Im Außenverhältnis beschränkbar
Verbotene Handlungen Grundstücksverkauf (ohne Sondervollmacht), Insolvenzantrag, Bilanzunterschrift Alles außerhalb des definierten Aufgabenbereichs

Die Stellung des Prokuristen: Was dürfen Sie als Prokurist?

Die Prokura ist die weitreichendste handelsrechtliche Vollmacht. Ihre Rechte und Pflichten sind klar definiert, müssen aber im Detail verstanden werden.

  • Umfang der Prokura: Was dürfen Sie und wo sind Ihre Grenzen? Die Prokura ermächtigt Sie zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.

  • Arten der Prokura: Es wird unterschieden zwischen Einzelprokura (alleinige Vertretungsbefugnis) und Gesamtprokura (nur gemeinsam mit anderen).

  • Abgrenzung: Die klare Unterscheidung zur Handlungsvollmacht und Generalvollmacht ist für Sie entscheidend.

  • Pflichten: Sie haben als Prokurist eine Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen und müssen im Rahmen Ihrer Befugnisse handeln (Innenverhältnis), auch wenn Ihre Vollmacht nach außen (Außenverhältnis) fast unbegrenzt scheint.


Haftungsrisiken für Prokuristen: Gefahren gezielt begrenzen

Die Haftung ist das größte persönliche Risiko für Prokuristen. Sie haften nicht nur dem eigenen Unternehmen (Innenhaftung), sondern unter Umständen auch Dritten gegenüber (Außenhaftung), beispielsweise bei fehlerhaften Handlungen.

  • Faktische Geschäftsführung: Eine der größten Gefahren. Handeln Sie wie ein Geschäftsführer, ohne formal einer zu sein, können Sie auch wie einer haften – insbesondere in der Krise.

  • Strafrechtliche Risiken: Bei Pflichtverletzungen drohen empfindliche Sanktionen, etwa wegen Untreue (§ 266 StGB) oder im schlimmsten Fall wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO).

  • Absicherungsstrategien: Sie müssen als Prokurist aktiv Ihre Haftung begrenzen, z. B. durch klare Ressortverteilung, Dokumentation und den Abschluss von D&O-Versicherungen.

  • Ordnungsgemäße Unternehmensführung: Ein systematischer Check (z. B. ein 16-Punkte-Check) hilft Ihnen, Ihre eigenen Pflichten zu erfüllen und die Compliance sicherzustellen.


Strategische Aufgaben: Unternehmenssteuerung und Finanzen

Prokuristen sind oft tief in die strategische Steuerung eingebunden. Ein solides Verständnis von Finanzen, Planung und Bilanzierung ist daher für Sie unerlässlich.

1. Unternehmensplanung und Controlling

Eine transparente und verständliche Unternehmensplanung ist die Basis. Sie müssen als Prokurist entscheidende Kennzahlen im Controlling verstehen, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen.

  • Wichtige Kennzahlen: Entwicklung von Wertschöpfung, Deckungsbeitrag und Umsatzrentabilität.

  • Jahresplanung: Eine solide Planung ermöglicht das Erkennen von Stärken, Schwächen und Chancen.

2. Bilanzen richtig lesen und verstehen

Die Bilanz ist mehr als nur eine Vergangenheitsbetrachtung. Sie ist ein zentrales Steuerungsinstrument.

  • Bilanz und GuV: Chancen und Risiken frühzeitig erkennen.

  • Finanzierungsregeln: Die „Goldene Bilanz- und Finanzierungsregel“ als Maßstab für Stabilität.

  • Banken-Rating: Banken analysieren Bilanzen genau (Stichwort: Basel III). Sie müssen wissen, worauf Kreditinstitute achten und wie Sie das eigene Unternehmens-Rating aktiv beeinflussen können.

3. Liquiditätsplanung und Finanzsteuerung

Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit ist eine Kernpflicht der Unternehmensleitung.

  • Aufbau der Liquiditätsplanung: Eine Planung nach Bankenstandard ist oft erforderlich.

  • Stellschrauben: Aktive Steuerung der Liquidität durch Management von Forderungen, Verbindlichkeiten und Lagerbeständen.

  • Sorgfaltspflichten in der Krise: Sobald eine Krise droht, erhöhen sich Ihre Sorgfaltspflichten als Prokurist massiv, um eine Insolvenz abzuwenden.


Compliance und Risikomanagement

Die Einhaltung von Gesetzen (Compliance) und der systematische Umgang mit Risiken sind zentrale Pflichten, die auch Sie als Prokurist treffen.

  • Gesetzliche Mindeststandards: Anforderungen aus KonTraG, BilMoG und HGrG müssen von Ihnen umgesetzt werden.

  • Aufbau eines Risikomanagementsystems: Orientierung an Standards wie MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement).

  • Risikoinventur: Systematische Erfassung und Bewertung von Risiken sowie die Erstellung eines Risikohandbuchs.


Der Prokurist im Arbeitsrecht

Als Vorgesetzter tragen Sie häufig Personalverantwortung und müssen die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen kennen.

  • Einstellung und Entlassung: Rechte und Pflichten im Umgang mit Mitarbeitern.

  • Kündigungen: Kündigungen müssen Sie rechtssicher vorbereiten und umsetzen, um kostspielige Fehler und Arbeitsgerichtsprozesse zu vermeiden.

  • Besonderheiten: Spezielle Regelungen, z. B. bei Kündigungen im Rahmen eines Betriebsübergangs.


Der Anstellungsvertrag des Prokuristen

Neben den Pflichten für das Unternehmen müssen Sie auch Ihre eigene vertragliche Situation absichern. Ihr Anstellungsvertrag legt dafür die Grundlage.

  • Optimale Gestaltung: Welche Regelungen dürfen in Ihrem Vertrag nicht fehlen?

  • Leistungspflichten: Genaue Beschreibung Ihrer Aufgaben und eventueller Sonderfunktionen (z. B. Notgeschäftsführer).

  • Wettbewerbsverbot: Klare Regelungen zum Wettbewerbsverbot während und nach Beendigung Ihrer Tätigkeit.

  • Kündigung: Aus welchen Gründen kann der Arbeitgeber Ihnen kündigen und was sollten Sie im Prozessfall beachten?


Fazit: Als Prokurist müssen Sie ein Allrounder sein

Die Prokura bietet große Handlungsspielräume, ist aber untrennbar mit umfassenden Pflichten und erheblichen Haftungsrisiken verbunden. Sie als Prokurist müssen nicht nur das operative Geschäft beherrschen, sondern auch fundiertes Wissen in Finanzplanung, Bilanzanalyse, Compliance und Arbeitsrecht besitzen. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit diesen Themen ist für Sie unerlässlich, um Ihren komplexen Anforderungen gerecht zu werden und persönliche Risiken zu minimieren.


Outsourcing & Unterstützung durch S+P

Das S+P Compliance Package bietet die professionelle Auslagerung (Outsourcing) zentraler Compliance-Funktionen wie Geldwäscheprävention, Datenschutz, Interne Revision oder MaRisk-Compliance. Dieses „Compliance as a Service“-Modell ist skalierbar, auditsicher sowie vollständig dokumentiert. Ziel ist es, interne Ressourcen von Unternehmen zu entlasten und regulatorische Risiken nachhaltig zu reduzieren.


FAQ: Prokura – Rechte, Pflichten und Haftung

  • Was ist der Hauptunterschied zwischen einem Prokuristen und einem Geschäftsführer?

    Der Geschäftsführer (GF) leitet das Unternehmen, ist gesetzlicher Vertreter und trägt die Gesamtverantwortung (Organstellung). Der Prokurist ist Angestellter mit einer gesetzlich definierten Vollmacht (§ 49 HGB). Während der GF die Bilanz unterzeichnen und Insolvenz anmelden muss, darf der Prokurist dies nicht. Im Krisenfall haftet der GF primär – der Prokurist kann aber bei faktischer Geschäftsführung ebenfalls in die volle Haftung geraten.

  • Was darf ein Prokurist nicht?

    Trotz der umfassenden Vollmacht gibt es klare Grenzen. Ohne gesonderte Befugnis darf ein Prokurist nicht:

    • Grundstücke oder Immobilien des Unternehmens verkaufen oder belasten,
    • die Bilanz oder Steuererklärungen unterzeichnen,
    • einen Insolvenzantrag stellen,
    • die Firma auflösen oder verkaufen,
    • selbst Prokura erteilen.
  • Wann hafte ich als Prokurist persönlich mit meinem Privatvermögen?

    Persönliche Haftung droht, wenn Sie gegen Pflichten aus dem Anstellungsvertrag verstoßen oder dem Unternehmen fahrlässig schaden. Das gilt besonders bei Verstößen gegen interne Weisungen (z. B. 4-Augen-Prinzip). Eine Außenhaftung gegenüber Dritten kann bei strafrechtlich relevantem Verhalten oder faktischer Geschäftsführung eintreten.

  • Was ist der Unterschied zwischen Einzelprokura und Gesamtprokura?

    Einzelprokura: Der Prokurist darf das Unternehmen allein und vollumfänglich vertreten.
    Gesamtprokura: Vertretung nur gemeinsam mit einem anderen Prokuristen oder Geschäftsführer (4-Augen-Prinzip). Dieses System dient der internen Kontrolle und begrenzt die individuelle Handlungsmacht.

  • Darf ich als Prokurist Mitarbeiter einstellen oder kündigen?

    Ja. Die Prokura umfasst alle Geschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Dazu gehören auch Personalentscheidungen – Einstellen und Entlassen von Mitarbeitenden – unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Vorschriften (z. B. Kündigungsschutzgesetz).

  • Brauche ich als Prokurist eine eigene D&O-Versicherung?

    Eine D&O-Versicherung (Directors & Officers) schützt vor Vermögensschäden durch Pflichtverletzungen. Prokuristen sind häufig in der Unternehmenspolice mitversichert – prüfen Sie jedoch Deckungssumme und Umfang.

  • Was bedeutet „faktische Geschäftsführung“ und warum ist das riskant?

    Von faktischer Geschäftsführung spricht man, wenn Sie zwar formal nur Prokurist sind, aber tatsächlich wie ein Geschäftsführer handeln – strategische Entscheidungen treffen, das Unternehmen leiten und Vorgaben bestimmen. Im Haftungsfall (z. B. Insolvenz) gelten Sie dann wie ein echter Geschäftsführer und haften persönlich.

Weitere relevante Artikel