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WpI MaRisk BTR 4 – Risiko einer ungeordneten Abwicklung sicher beherrschen

BTR 4 der WpI MaRisk verlangt, dass Wertpapierinstitute eine geordnete Abwicklung auch unter Stress sicherstellen – ohne negative Folgen für Kund:innen, Gegenparteien oder den Markt. In diesem Leitfaden erfahren Sie, was BTR 4 fordert, wie Sie proportional (klein vs. mittel) vorgehen und wie Sie Ihre Planung prüfungssicher dokumentieren.

WpI_MaRisk_BTR_4

  1. Einleitung – Warum das Thema „ungeordnete Abwicklung“ jetzt so wichtig ist

Das Risiko einer ungeordneten Abwicklung ist für Wertpapierinstitte ein zentrales Thema, das in den WpI MaRisk 2025 im Modul BTR 4 ausführlich geregelt wird.
Die Aufsicht will sicherstellen, dass Ihr Institut im Fall einer Abwicklung oder Einstellung der Geschäftstätigkeit geordnet und kontrolliert vorgeht – ohne chaotische Auswirkungen auf Kund:innen, Gegenparteien oder die Märkte.

Ziel: Schutz der Marktstabilität, der Anleger und des Finanzsystems.


2. Verhältnis zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung

Die Vorgaben nach BTR 4 bestehen zusätzlich zu bestehenden Anforderungen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung.

  • Sanierungs- und Abwicklungsplanung (EU-/KWG-Rahmen): bereitet auf systemische Abwicklungsszenarien vor.

  • BTR 4: solvenzaufsichtliche Sicht nach WpIG/IFRinstitutsbezogen.

Das heißt für Sie:

  • BTR 4 betrachtet Ihr Institut isoliert.

  • Fokus auf Eigenmittel, Liquidität und operative Mittel.

  • Die Analyse dient der solvenzaufsichtlichen Risikosteuerung.


3. Was bedeutet eine „geordnete Abwicklung“?

Geordnet ist die Abwicklung, wenn Ihr Institut im Fall eines Marktaustritts oder der Geschäftsbeendigung sicherstellen kann, dass:

  • Eigenmittel ausreichen,

  • Liquidität verfügbar bleibt,

  • operative Mittel (Personal, IT-Systeme, Verträge) nutzbar sind,

  • der Marktaustritt planbar und kontrolliert erfolgt.

Ungeordnete Abwicklung bedeutet dagegen: chaotischer Ablauf, kurzfristige Liquiditätsengpässe, Vertrauensverlust bei Kund:innen, Reputationsschäden und mögliche aufsichtliche Maßnahmen.


4. Anforderungen der WpI MaRisk BTR 4 im Detail

Sie müssen das Risiko einer ungeordneten Abwicklung angemessen berücksichtigen. Die Tiefe hängt ab von:

  • Komplexität Ihres Instituts,

  • Gesamtrisikoprofil (vgl. AT 2.2 WpI MaRisk),

  • Umfang der Tätigkeiten,

  • potenziellen Marktauswirkungen.

Berücksichtigen Sie insbesondere:a) Realistischer Zeitrahmen für die Abwicklung
b) Operative und rechtliche Aufgaben im Abwicklungsprozess
c) Wesentliche fixe und variable Kosten
d) Wesentliche Risiken während der Abwicklung
e) Weitere Faktoren (z. B. externe Schocks, politische Rahmenbedingungen)


5. Allgemeine Anforderungen nach WpI MaRisk BTR 4

1. Abwicklungsszenarien bestimmen

  • Externe Auslöser: Marktkrisen, Rechtsänderungen, Wegfall von Hauptkund:innen

  • Interne Auslöser: Geschäftsentscheidung, strategischer Rückzug, Liquiditätsprobleme

2. Planung für eine geordnete Abwicklung

  • Eigenmittel: Reichweite der Puffer

  • Liquidität: verfügbare Quellen

  • Operative Mittel: benötigte Verträge, Systeme, Mitarbeiter:innen für den Exit

3. Reflexion & Handlungsbedarf

  • Ergebnisse kritisch analysieren

  • Anpassungsbedarf bei Strategie, Eigenmitteln, IT/Systemen identifizieren

  • Maßnahmen zur Risikominimierung festlegen


6. Unterschiede zwischen kleinen und mittleren Wertpapierinstituten

Aspekt Kleine Wertpapierinstitute Mittlere Wertpapierinstitute
Relevanzprüfung Risiko prüfen, wenn für das Geschäftsmodell relevant Risiko immer prüfen
Detaillierungsgrad Vereinfachte Szenarien, qualitative Betrachtung Detaillierte Szenarien mit quantitativen Berechnungen
Kostenanalyse Pauschale Kostenschätzungen möglich Exakte Kalkulation fixer und variabler Kosten
Notfallplanung Nicht zwingend schriftlich Schriftlich fixiert, realistische Zeitpläne
Eigenmittel & Liquidität Einfacher Abgleich mit Kapitalplanung Quantitative Simulationen und Szenarioanalysen

7. Praxisbeispiel – Szenario einer geordneten Abwicklung

Institut A (klein): Anlagevermittlung, kein Eigenhandel
Szenario: Geplanter Marktrückzug (Geschäftsentscheidung)
Maßnahmen:

  • Kündigung von Kundenverträgen gemäß Fristen

  • Rückführung der Kundengelder

  • Abwicklung der IT-Systeme in 6 Monaten
    Ergebnis: Geordnete Abwicklung mit überschaubarem Aufwand; Risiko gering

Institut B (mittel): Eigenhandel + Vermögensverwaltung
Szenario: Marktkrise, starke Verluste → Eigenmittel reichen nicht
Maßnahmen:

  • Detaillierte Kostenplanung (Personal, Mieten, IT-Verträge)

  • Verkauf von Geschäftsbereichen

  • Aktivierung von Liquiditätsreserven
    Ergebnis: Nur mit detaillierter Planung und Stresstests beherrschbar


8. Bezug zur Del. VO (EU) 2023/1668

Art. 6 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2023/1668 liefert Anhaltspunkte zur Ermittlung des Risikos einer ungeordneten Abwicklung:

  • Szenarien müssen plausibel und praxisnah sein.

  • Kosten realistisch kalkulieren.

  • Risiken im Abwicklungsprozess explizit dokumentieren.


9. Prüferwartungen der Aufsicht

BaFin und Bundesbank achten auf:

  • Vollständige Szenariobetrachtung

  • Plausibilität der Abwicklungsplanung

  • Dokumentierte Kostenanalysen

  • Externe Faktoren berücksichtigt

  • Reflexion & Maßnahmen klar ausgewiesen

💡 Wichtig: Auch kleine WpI, die das Risiko zunächst als „nicht relevant“ einstufen, müssen diese Entscheidung begründen und dokumentieren.


10. Checkliste für Ihr Institut

✔︎ Mindestens ein realistisches Abwicklungsszenario beschrieben?

✔︎ Zeitrahmen für den Prozess festgelegt?

✔︎ Operative und rechtliche Aufgaben berücksichtigt?

✔︎ Fixe/variable Kosten berechnet?

✔︎ Risiken während der Abwicklung erfasst?

✔︎ Reflexion mit Handlungsbedarf dokumentiert?


S+P Fazit

BTR 4 macht klar:

  • Kleine Institute haben mehr Flexibilität, dürfen aber keine Risikoanalyse auslassen.

  • Mittlere Institute erstellen detaillierte, belastbare Szenarien.

Mit sorgfältiger Dokumentation, klarer Szenarioplanung und realistischen Kosten sind Sie prüfungssicher – und sichern im Ernstfall die geordnete Abwicklung.

Tipp von S+P: Nutzen Sie die Abwicklungsplanung strategisch – wer seine Exit-Szenarien kennt, reagiert schneller auf Krisen, Umstrukturierungen oder neue Geschäftsstrategien.


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