1. Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung
Die Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung ist ein Kernbestandteil der MiFID-II-Richtlinie und hat zum Ziel, sicherzustellen, dass Finanzprodukte den Bedürfnissen und dem Risikoprofil der Kunden entsprechen. Diese Prüfungen sind verpflichtend, wenn Finanzinstitute ihren Kunden Beratungsleistungen anbieten oder Finanzinstrumente vertreiben.
Neuerungen durch ESMA und BaFin
Im Jahr 2022 veröffentlichte die ESMA aktualisierte Leitlinien zur Geeignetheitsprüfung, um die steigende Bedeutung von ESG (Environmental, Social, Governance)-Faktoren in den Anlageentscheidungen zu berücksichtigen. Diese Leitlinien zielen darauf ab, dass Finanzdienstleister bei der Geeignetheitsprüfung verstärkt die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in ihre Bewertungen einbeziehen müssen. Konkret bedeutet dies, dass die Präferenzen der Kunden in Bezug auf nachhaltige Investitionen explizit abgefragt und in die Produktempfehlungen integriert werden müssen.
Die BaFin hat diese Anforderungen auf nationaler Ebene umgesetzt und betont, dass Anbieter sicherstellen müssen, dass die empfohlene Anlage nicht nur in finanzieller Hinsicht geeignet ist, sondern auch die Nachhaltigkeitsziele des Kunden widerspiegelt. Dies stellt eine signifikante Veränderung dar, da bislang vor allem finanzielle Ziele im Vordergrund standen.
Dokumentationspflichten
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verstärkte Dokumentationspflicht. Die BaFin fordert, dass detaillierte Aufzeichnungen über den Beratungsprozess geführt werden, einschließlich der Berücksichtigung von ESG-Präferenzen. Dies ermöglicht es den Aufsichtsbehörden, die Konformität der Anlageempfehlungen nachträglich zu überprüfen und sicherzustellen, dass Kunden angemessen über Risiken und Chancen informiert wurden.
2. Nachhaltigkeit und ESG-Faktoren
Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen der letzten Jahre und steht zunehmend im Fokus der Finanzaufsicht. Die ESMA und die BaFin haben neue Anforderungen implementiert, um sicherzustellen, dass nachhaltige Finanzprodukte korrekt definiert, offengelegt und vermarktet werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR).
Anforderungen der BaFin
Die BaFin hat die Nachhaltigkeitsstrategie für die Finanzbranche in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Insbesondere in Bezug auf die Beratung und den Vertrieb von Finanzprodukten betont die Behörde, dass Unternehmen verpflichtet sind, klar zu definieren, wie ein Produkt im Hinblick auf ESG-Kriterien bewertet wird. Dies umfasst eine präzise Offenlegung darüber, wie ökologische und soziale Faktoren sowie Aspekte der Unternehmensführung in die Investitionsentscheidungen einfließen.
Darüber hinaus hat die BaFin ihre Anforderungen an die Offenlegung von Klimarisiken in den Portfolios der Unternehmen verschärft. Finanzdienstleister müssen künftig detaillierter über die Risiken ihrer Investitionen berichten, die durch den Klimawandel und die Transformation zu einer CO2-neutralen Wirtschaft entstehen. Dies soll dazu beitragen, die Transparenz für Investoren zu erhöhen und sicherzustellen, dass sie fundierte Entscheidungen treffen können.
SFDR und MiFID II
Die ESMA hat im Rahmen der MiFID-II-Richtlinie Nachhaltigkeitsaspekte in die Geeignetheitsprüfung integriert. Finanzinstitute sind verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erfassen und sicherzustellen, dass angebotene Produkte diesen Präferenzen entsprechen. Dies bedeutet, dass Finanzberater ihre Kunden nicht nur über die traditionellen Finanzaspekte eines Produkts aufklären, sondern auch erklären müssen, wie das Produkt im Hinblick auf seine Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft bewertet wird.
Die SFDR-Verordnung stellt sicher, dass Finanzprodukte klar und eindeutig als „nachhaltig“ ausgewiesen werden. Die BaFin hat darauf hingewiesen, dass die Fehldarstellung von Produkten als nachhaltig (Greenwashing) streng verfolgt wird. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Nachhaltigkeitsansprüche durch objektive und überprüfbare Kriterien gestützt werden.
3. Product Governance
Die Product-Governance-Regelungen sind ein wesentlicher Bestandteil der MiFID-II-Richtlinie und sollen sicherstellen, dass Finanzinstitute Finanzprodukte verantwortungsvoll entwickeln und vertreiben. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Produkte nur an Kunden vertrieben werden, die in der Lage sind, die damit verbundenen Risiken zu verstehen und zu tragen.
Anforderungen an den Produktentwicklungsprozess
Die neuesten Anforderungen der BaFin in Bezug auf Product Governance fordern, dass Finanzinstitute den gesamten Lebenszyklus eines Produkts im Auge behalten – von der Entwicklung bis zur Einstellung. Es wird erwartet, dass Unternehmen eine detaillierte Zielmarktbestimmung vornehmen und sicherstellen, dass die vertriebenen Produkte den Bedürfnissen der definierten Zielgruppen entsprechen. Dies schließt auch eine laufende Überwachung ein, um zu überprüfen, ob das Produkt weiterhin für den Zielmarkt geeignet ist.
Nachhaltigkeit in der Product Governance
Ein besonders wichtiger Aspekt der neuen Product-Governance-Anforderungen ist die Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren. Finanzdienstleister müssen sicherstellen, dass nachhaltige Produkte tatsächlich die Kriterien erfüllen, die sie bewerben, und dass sie für die Zielgruppe geeignet sind, die ein Interesse an nachhaltigen Anlagen hat. Dies schließt auch die Überwachung der Produktperformance im Hinblick auf ESG-Kriterien ein, um sicherzustellen, dass die versprochenen Nachhaltigkeitsziele erreicht werden.